Tyrown, Du warst auf der Art Basel Miami Beach – mit über 83.000 Besuchern eine der größten Kunstmessen der Welt mit über 15 begleitenden Kunstmessen. Welche Eindrücke hat diese doch sehr außergewöhnliche Messe bei Dir hervorgerufen? Was war Dein stärkster Eindruck? Welche Kunstrichtung hat Dich begeistert?
Die Art Basel in Miami ist immer ein besonderes Erlebnis – diese Kombination aus dem Wetter in Florida, dem Lebensgefühl in Miami und dazu die Mischung aus Kunst und Events ist weltweit sicherlich einzigartig. Ich hatte nun schon zum zweiten Mal die Ehre eingeladen und dabei gewesen zu sein und genieße die unglaubliche Qualität an Kunst. Als Besucher kann man sich treiben lassen oder auch strategisch alles ablaufen und ansehen. Ich persönlich mische immer zwischen „Arbeit“ und Freizeit – wobei ich mit Arbeit die vorher festgelegten Termine bezeichne. Eine Messe wie die Art Basel Miami zeichnet sich auch dadurch aus, besondere Menschen und Situationen zu erleben, die nicht alltäglich sind. Besonderes Highlight für mich sind die Treffen mit anderen Kunstsammlern, wie zum Beispiel Monica & Javier Mora (#Instagram @moraartcollcetion) oder Rosa und Carlos de la Cruz (#Instagram @delacruzcollection), die im Rahmen der Art Basel Miami-Woche ihre privaten Kunstsammlungen zugänglich machen.
Du bist ein „Independent (art) collector“, der sogar seine Wohnung in Frankfurt für kunstbegeisterte Menschen öffnet. Haben Dich die Resonanz darauf und die etwa zweihundert Besucher überrascht?
Dass ich auf der Plattform INDEPENDENT COLLECTORS Berlin gelistet bin (Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich dabei um eines der wichtigsten Archive privater Kunstsammlungen weltweit.), und ich mich regelmäßig mit anderen internationalen Kunstsammlern wie den Moras in Miami austausche, hat mich maßgeblich so beeinflusst, dass ich im vergangenen Sommer erstmalig unsere private Kunstsammlung in Frankfurt für Besucher zugänglich gemacht habe. Dass sich dafür über 200 Kunstinteressierte aus Frankfurt und Rhein-Main angemeldet und teilgenommen haben, hat mich völlig überwältigt, und ich bin heute noch Urban Media & offen.city dankbar, die mich ebenfalls dazu ermutigt und logistisch unterstützt haben. Mein Dank gilt auch Monica und Javier Mora die mir den Mut gegeben haben zu diesem Experiment.
Zumindest in Frankfurt wissen wir inzwischen, dass Du ein begeisterter Sammler von Kunstwerken verschiedener Richtungen und Epochen bist. Ist das ein Zufall, dass Du Dich der Kunst verstärkt zugewandt hast, oder liegt das vielleicht in Deinen Genen?
Ich hatte eigentlich immer schon einen 360° Blick für die Kunst. Mein Beruf als Show & Event Produzent und meine Vergangenheit als Tänzer und Model haben immer die Beschäftigung mit Handwerklichkeit, Musik, Licht, Farbigkeit, Erzählung, Struktur, Philosophie und vielem mehr verlangt. Daraus ergibt sich die Frage, wie man leben möchte oder sich sein Leben einrichtet, und hier ist für alle Menschen sicherlich die KUNST im privaten Umfeld eine spannende und auch überraschende Perspektive. Gerade für Menschen die kein Leben „von der Stange“ leben wollen und immerzu inspiriert werden möchten, sobald sie morgens aufwachen. Und ich glaube dass Kunst tatsächlich die Möglichkeit bietet, sich selbst immer wieder aufs Neue im Alltäglichen zu inspirieren – ob das in den Genen liegt, kann ich nicht beantworten.
Warst Du schon als Kind künstlerisch begabt, oder liegt das inspirative Talent in Deiner Familie?
Meine Familie und Menschen, die mich lange kennen, werden bestätigen, dass ich schon immer einen sehr individuellen, künstlerischen Lebensstil hatte. Da ich im Sternzeichen Wassermann bin, fällt mir das nicht weiter schwer und benötigt keinerlei weiteres Talent (lacht laut).
Was beeinflusst Dich, ein Kunstwerk zu kaufen? Ist es Intuition, das Motiv oder ein Künstler?
Es gibt die unterschiedlichsten Arten von Kunstsammlern. Ich bin aber davon überzeugt, dass jeder selbst entscheiden muss, welche künstlerische Arbeit am besten zu ihm passt. Unabhängig davon, ob man sich einen Picasso, “Art Light“ oder “Edel Trash“ kauft. Und auch unabhängig davon, ob eine Galerie oder einer von vielen Kunstberatern den Kauf empfiehlt. Da man als Mensch immer selbst die Kunst anschauen und mit ihr leben muss, entscheide ich mich persönlich eher intuitiv für künstlerische Arbeiten, die durch ein brillante Handwerklichkeit, eine reife Tiefe und Ausdrucksstärke überzeugen und mich wach halten und nachdenken lassen. Der Künstler Attpoomtangon brachte es treffend auf den Punkt – „Wer´s bezahlt, bestimmt, was er kauft“ – man sollte sich also nicht zu viel erzählen lassen.
Vermutlich ist der Anfang einer Sammlung mehr eine emotionale Entscheidung. Ändert sich das im Laufe der Zeit? Kaufst Du heute zielgerichtet, gewinnorientiert und überlegt?
Kunst zu kaufen bleibt immer emotional. Wenn das Kunstwerk, das ich kaufe, mich nicht emotional berührt, kaufe ich es nicht. Ich bin überzeugt davon, das gilt für alle Bereiche des Lebens. Emotionen helfen uns, einen Kompass für das Leben zu entwickeln. Und Kunst leistet das ebenfalls, indem Kunst unsere Emotionen herausfordert auf die unterschiedlichsten Arten. Viele Beobachter beschreiben, dass ich Kunst mit dem Herz und mit dem Auge kaufe. In viele der Arbeiten innerhalb der Kunstsammlung bin ich verliebt seit den ersten Sekunden – und ich wünsche mir dass die Sammlung das widerspiegelt. Das wichtigste Ziel scheint mir, den Kern, die Wahrhaftigkeit einer künstlerischen Arbeit zu erkennen – das mir dies gelingt, daran arbeite ich stetig weiter.
Betrachtest Du Kunst für Dich selbst oder generell als Ware, als eine Investition in die Zukunft?
Kunst war schon immer Handelsgut seit Jahrhunderten & Jahrtausenden. Gute Kunst kann trotzdem niemals einen wahren Charakter erfüllen. Sie besteht auf Reflexion und Auseinandersetzung. Die modernen Zeiten verlangen aber von der Kunst, dass sie genau das Gegenteil erfüllt – leicht und schnell zu konsumieren und zusätzlich noch Dekorativ zu sein. Passend zum Loft, dem Boot und dem Auto. Das erklärt die Menge an knartschbunter Popart, polierten Oberflächen und Einrichtungsdekor mit künstlerischem Charakter auf allen Messen weltweit. Die Kunst unserer Sammlung unterscheidet sich und ist bestenfalls eine Investition in das eigene Glück – dies jeden Tag aufs Neue zu erleben, zu staunen, zu begeistern und zu lernen ist der Wert der künstlerischen Arbeiten in der Sammlung.
Kunst sammeln – kann das eigentlich jeder? Auch wenn er kein wahrer Kunstkenner ist?
Über unsere Initiativen und Kooperationen, wie dem „Tag der offenen Tür“, versuchen wir aufzuzeigen, dass Kunst alltäglich zum Leben gehören kann, mitten in einer Stadt, in Mietwohnungen mit ihren Bewohnern. Kunst sieht in einem Zuhause anders aus als in einem Atelier oder in einer Galerie im White Cube Stil. Das zu erleben ist wichtig – auch mal fernab von Villen und Loft Wohnungen. Diese Begeisterung, die das Leben mit Kunst in einer bürgerlichen Mitte mit sich bringt, möchten wir teilen. Jeder kann Kunst sammeln.
Würde ich allerdings jetzt zu diesem Zeitpunkt über die eigentliche Sammlung sprechen und ihren Kern beschreiben, fallen mir zuerst die Begegnungen mit Menschen ein – Gespräche, Austausch, Gedanken, Lachen. Bürgerliche Kunstsammlungen sind spannend, ungewöhnlich, vielseitig und faszinierend – auch ohne große, internationale Namen. Sich der Kultur, der Kunst „seiner“ Region und Stadt zu nähern, ist identitätsstiftend und hilft auf dem Weg zum Kunstkenner. Im Zweifel sind einem Kronberger Maler, HFG Offenbach und Städel Schüler näher wie Bronx & Cluj.
Im Frühjahr nächsten Jahres findet die Art Basel Hong Kong statt. Auch wenn dort viele europäische und internationale Künstler ausstellen, ist es doch vor allem eine asiatische Welt, die sich dort präsentiert? Wirst Du dort sein, und interessiert Dich die Kunst- bzw. Künstlerszene in Asien?
Eine Einladung liegt uns bereits vor. Die ART BASEL HONGKONG fällt allerdings in meine/unsere Hauptsaison im Eventgeschäft. Daher nehmen wir zwar an internationalen Messen wie der FIAC, TEFAF, ARCO und ART BASEL teil, allerdings ausgewählt. Das Geld muss ja erst verdient werden, bevor man es für Kunst aus gibt. Unsere nächste Messeteilnahme ist die TEFAF in MAASTRICHT – vielleicht die schönste Kunstmesse der Welt.
Apropos Frankfurt. Unsere Stadt soll zukünftig auch eine „Frankfurter Kunstmesse“ haben, und Du bist an diesem Projekt beteiligt. Welcher Input von Deiner Seite ist Dir hierbei wichtig?
Eine neue Kunstmesse gibt es bereits – die „Discovery Art Fair“, die 2019 auch wieder zusammen mit der Messe Frankfurt stattfinden soll. Dies ist allerdings ein Projekt, das aus Berlin gesteuert wird, und an dem wir nicht beteiligt sind. Wir bereiten gerade eine Teilnahme mit einem Projekt vor, das sich mit vergessenen, aber atemberaubenden Künstlernachlässen beschäftigt. Es gibt außerhalb des primären Kunstmarkts viele Künstler, die hervorragende Werke hinterlassen habe und deren Arbeiten es noch zu entdecken gilt – hier wollen wir Aufmerksamkeit schaffen und sensibilisieren.
Und zum Schluss die Frage: Hast Du selbst schon einmal ein „Kunstwerk“ gemalt oder figürlich geschaffen?
Ja klar – beim Telefonieren kritzle ich regelmäßig völlig unbegabt auf einem Zettel rum – das taugt aber nur für den Mülleimer. Daher bleibe ich lieber Kunstsammler, die muss es ja auch geben (lacht laut).

FASHION GUIDE dankt Tyrown Vincent sehr herzlich für dieses ausführliche Interview, das uns interessante Einblicke in die Welt der Kunstsammler gegeben hat.

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